ZUR BEDEUTUNG DES MANDALAS

Das Mandala ist ein Bild, das eine Resonanz zwischen dem begrenzten und dem grenzenlosen Aspekt des SELBST ermöglicht. Es ist eine universelle Ordnungsstruktur, die sich auf allen Ebenen der Erscheinungswelt offenbart, in Galaxien, Sonnensystemen, Himmelskörpern, geologischen, meteorologischen, biologischen, molekularen und atomaren Strukturen und natürlich auch als Kunstwerk, Architektur und Ritual in allen Kulturen rund um den Globus.

Je nach ihrem kulturellen Umfeld werden Mandalas verschieden betrachtet und gedeutet. Der Schweizer Psychologe C. G. Jung sah das Mandala als Urbild des SELBST. Das SELBST hat aus seiner Sicht drei wesentliche Bedeutungen. Es ist das Zentrum wie auch die Ganzheit eines Individuums und auch der Zusammenhang, in dem ein Individuum steht, wie z. B. eine Gruppe von Gleichgesinnten, die von denselben Ideen bewegt wird. C. G. Jung sprach diesem Urbild Qualitäten wie Schutz, Ordnung, Heilung, Orientierung und Ganzheit zu. Heute verwenden viele - nicht nur jungianische - Therapeuten Mandalas in ihrer Arbeit.

Eine besonders reiche Mandala-Kultur finden wir im tibetischen Buddhismus. „Mandala“, bedeutet im Sanskrit „Kreis“. Der tibetische Begriff „Kilkor“ dafür bedeutet „Zentrum und Umkreis“. Ich sehe das Zentrum als das individuelle Bewusstsein und den Umkreis als das Universum, das durch dieses individuelle Bewusstsein erfahren wird. Ein tibetischer Freund und Kollege, der Künstler Jamyang Drongpa sagte mir einmal: „Ein Mandala ist der Wohnort einer Gottheit.“ Und diese beiden Sichtweisen lassen sich durchaus miteinander vereinen, wenn wir annehmen, dass jedes Individuum die einzigartige Ausdrucksform eines größeren, universellen oder göttlichen Bewusstseins ist.

Unabhängig von all den unterschiedlichen Erscheinungsformen des Mandalas scheint mir Folgendes besonders wichtig zu sein: Als Bildform mit Zentrum und Umkreis entspricht das Mandala dem Auge mit Pupille und Iris. Im Mandala sieht das Auge ein symbolisches Bild seiner selbst und wird dadurch sich selbst zur Erfahrung. Bei der Betrachtung eines Mandalas begegnen das Auge und das gesamte visuelle Bewusstsein, also alles was mit dem Sehsinn emotional, mental und spirituell zusammenhängt letztlich sich selbst. Diese „Selbsterfahrung des Auges“ und aller daran beteiligten Bewusstseinsfacetten mündet in deren Transformation. Unser Sehen im physischen, seelischen, geistigen und spirituellen Sinn kommt wieder zu sich SELBST und dadurch ergeben sich vielfältige Chancen zur heilenden Selbstverwandlung.

Der Grundform des Mandalas entsprechen ästhetische und heilende Qualitäten wie Einheit, Ganzheit, Harmonie, Gleichgewicht etc. Das Mandala ist wie ein zum Bild gewordenes „Gleichgewichtsorgan des Bewusstseins“. Es wird sich deshalb notwendigerweise in jeder Phase der Entwicklung unseres Bewusstseins wieder ganz neu offenbaren.

Inspiriert durch Begegnungen mit Osho, Sogyal Rinpoche und anderen Mystikern bewegte mich der Wunsch, das Mandala in neue Bildformen zu übersetzen. Das Mandala symbolisiert auch das schöpferische Potential des SELBST. Wir werden von universellen Kräften getragen und können uns immer wieder schöpferisch verwandeln, um uns SELBST treu zu bleiben.


In diesem Sinne uns Allen Alles Gute

Vinzent Liebig