Ein Portrait des Mondes

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Der Begriff „metaastrologisch“ bezieht sich auf eine astrologische Entdeckung, die mir 1995 gelang, mehr dazu finden Sie unter „Die Entdeckung der Metaastrologie“.

Der Mond aus mythologischer Sicht

So wie es im griechischen Mythos zwei Sonnengötter gibt, gibt es auch zwei Mondgöttinnen, nämlich Semele oder Selene, die Schwester des Helios und Artemis, die Schwester des Apollon.  Zunächst zu Artemis:

Artemis, gesprochen „Artemi“ mit Betonung der ersten Silbe, Tochter von Leto und Zeus, wird mit Pfeil und Bogen dargestellt. Die Mondsichel wurde mit dem Bogen assoziiert, so ist die Mondgöttin Artemis auch die Göttin der Jagd.

Artemis bedeutet „sicher, unverletzt, etwas Ganzes“. Die Herleitung ist nicht ganz gesichert, aber aus ar wie in areti „Tugend“ und ari „Überlegenheit“ zusammen mit temes- „ich kümmere mich um jemanden“, und a-tmin „Diener“ ergibt sich letztlich artemia „Ganzheit, Gesundheit und Sicherheit“.

Artemis ist eine mächtige alte matriarchale Gottheit. Im Matriarchat sind die Grosse Mutter Erde, Gäa und der Mond die zentralen Gottheiten. Die Erde entspricht dabei wohl dem materiellen Aspekt des Seins und der Mond, als Lichtbringer, dem Aspekt des Bewusstseins. Da der Mond Ebbe und Flut beeinflusst, wurde er immer schon mit dem Wasser, und dank seiner Beziehung zum Rhythmus der Menstruation, seit jeher auch mit weiblichen Gottheiten assoziiert. Wasser, Fruchtbarkeit und zyklische Wandlung sind die zentralen Inhalte jeder Mond- und Naturreligion. Da der Mond eng mit den Rhythmen der Natur in Verbindung steht, waren die matriarchalen Kulte wohl durch ein an die Rhythmen der Natur gebundenes instinktives, intuitives Bewusstsein geprägt. Dem Mond entsprechen die Lebendigkeit, Fruchtbarkeit und Wandlungen des Seelischen und der Natur, einem Seinsbewußtsein, in dem Mensch und Natur noch völlig verbunden sind.

Neumond, Vollmond und abnehmenden Mond wurden im Matriarchat verschiedene Gestalten der dreifältigen Göttin als junges Mädchen, reife Frau und Greisin zugeordnet. So war die dreifältige Mondgöttin allgegenwärtig, z.B. als Fruchtbarkeits-, Schicksals- und Rachegöttin. Viele dieser Göttinnen fanden später auch Eingang in den olympischen Kult. Die Mondgöttin Artemis ist im Matriarchat als die „Weißgestirnte“ auch die Herrscherin über den Nachthimmel und das Sternenzelt. Sie muss aber später, unter dem Einfluss des olympischen Kultes, die Herrschaft über die Sterne an Zeus abgeben. Im olympischen Kult wird Artemis im Bild der bogenförmigen silbernen Sichel des Neumonds auch zur Göttin der Jagd und daneben hat sie folgende weitere Bedeutungen:

Artemis wurde nach einem Beschluss der drei Schicksalsgöttinnen zur Schutzgöttin der Gebärenden. Daneben beschützt Artemis die Kinder und die Tiere, obwohl sie selbst die Jagd liebt. Wie ihr Bruder Apollon kann sie Krankheit und Tod bringen, sie kann aber auch heilen.

Zeus übertrug ihr das Amt der Lichtbringerin und machte sie zur Beschützerin der Straßen und Häfen von 30 Städten auf dem Festland und den Inseln. Er gab ihr die Herrschaft über alle Berge der Welt und erlaubte ihr, sich 60 Ozeannymphen und 20 Flussnymphen als Gefolge zu wählen.

Nun zu der Mondgöttin Semele oder Selene, gesprochen „Selini“ mit Akzent auf der zweiten Silbe. Selene bedeutet „Mond“ und „Monat“. Selene war eine Geliebte des Zeus. Er näherte sich ihr, wie er es so oft bei seinen Geliebten tat, in verwandelter Form und zwar als gewöhnlicher Sterblicher. Hera, die eifersüchtige Ehefrau des Zeus, riet der im sechsten Monat schwangeren Selene, sie solle ihren Geliebten doch drängen, ihr endlich zu sagen, wer er wirklich sei. Denn sonst, so Hera, könne sie doch unmöglich sicher sein, dass sie es nicht mit einem Ungeheuer zu tun habe. Zeus lehnte es ab, seine Identität preis zu geben, Selene reagierte darauf, indem sie sich ihm verweigerte. Darauf erschien Zeus als Blitz und Donner und Selene war von seiner Erscheinung so überwältigt, dass sie starb. Hermes aber rettete ihren Sohn Dionysos und nähte ihn in den Schenkel des Zeus ein, so dass er noch drei Monate weiter reifen konnte. Dionysos, der auch „Vakhos“ genannt wird, ist der Gott des Weins, der Inspiration und der Kunst dramatischer Poesie. Er trägt bei seiner Geburt Hörner und eine Schlangenkrone. Auf Befehl der eifersüchtigen Hera wird er von den Titanen verfolgt, zerrissen und in einem Kessel gekocht. Aber dann wird Dionysos von seiner Großmutter, der Erdtitanin Rhea wieder zusammengefügt und wiederbelebt. Nach seiner Rettung durch Rhea wächst Dionysos unter dem Schutz von Persephone, der Göttin des Frühlings, der Unterwelt und der Wiedergeburt, als Mädchen verkleidet und verborgen in Frauengemächern auf.

Seine Mutter, die Mondgöttin Selene, seine Wiederbelebung durch die Erdtitanin Rhea, sein Leben als Mädchen unter dem Schutz der Persephone und sein weibliches Gefolge, die stets berauschten Mänaden, lassen vermuten, dass hier das Mondbewusstsein in der Gestalt eines männlichen Gottes mit weiblichen Zügen wieder auftaucht und an Macht gewinnt. Dionysos gilt als Urheber des griechischen Theaters und ist so eine Ergänzung zu seinem Bruder, dem Kultur stiftenden Gott Apollon. Aber im Umfeld des orgiastischen Dionysoskults kommt es auch zu Fällen von Wahnsinn und Kannibalismus. Dionysos bedeutet „der zweimal Geborene“ oder „das Kind der doppelten Tür“. Sein zweiter, älterer Name Vakhos bedeutet „jemand im Zustand von Enthusiasmus und Trance“. Vakhia bedeutet „Verrücktheit, Manie, den Verstand verlieren“, iakhos „orgiastisches Schreien“. Enthusiasmus aus enthousiasmos bedeutet „göttliche Begeisterung, Verzückung, Erregung“.

Der olympische Kult ist unter anderem auch eine dauernde Auseinandersetzung des menschlichen Bewusstseins mit der Mondsphäre, eine Emanzipation des menschlichen Geistes aus dem instinkthaften Seinsbewußtsein der Naturreligionen heraus. In der jungianischen Psychologie wird diese Phase „Der Drachenkampf“ genannt.

In der Hirnforschung wird das lymbische System, das unsere archaischen Instinkte und Verhaltensformen wie Flucht, Angriff und Verteidigung aktiviert, manchmal als „Reptilienhirn“ bezeichnet, weil dieser älteste Teil unseres Hirns im Hinterkopf schon bei den Reptilien zu finden ist. Die Frontallappen hinter der Stirn, die uns zu kreativen und sozialen Lösungen befähigen, werden manchmal „Engelsgehirn“ genannt. Mythen und Bilder vom Drachenkampf gibt es in allen Kulturen. Häufig sind nicht nur Bilder von jungen Helden, sondern auch von Engeln zu sehen, die mit dem Drachen kämpfen. Und jetzt schau mal einer an, der „Drache“ sieht eigentlich fast immer wie ein Reptil aus.

Der Drachenkampf ist der Kampf des menschlichen Geistes mit den Mechanismen des lymbischen Systems. Diese archaischen Mechanismen sind, wenn man so will, „die dunkle Seite des Mondes“. Der menschliche Geist projiziert die Inhalte seines Reptilienhirns auf das Bild eines Drachens, den er zu besiegen versucht. Die Distanz zwischen lymbischem System und Frontallappen beträgt zwar nur eine Handspanne. Aber der Weg dazwischen kann sehr lang sein. Dieser Weg besteht in dem, was wir „Kultur“ nennen. Kultur ist der Versuch, den jeweiligen Ort des Menschen zwischen den Polen der archaischen Triebsphäre einerseits und dem freien schöpferischen Bewusstsein andererseits durch eine bewusst gestaltete Balance zwischen diesen Polen zu stabilisieren. Mit Dionysos kippt die Balance des olympischen Kultes jedenfalls anscheinend in Richtung des archaischen Pols.

Um 700 v. Chr. wird Dionysos ausgerechnet durch seinen Halbbruder Apollon (!) in den Olymp eingeführt. Der Unterschied zwischen Apollon und Dionysos ist enorm. Apollon begegnen wir heute z.B. in den „Musentempeln“, also in den Kunstmuseen, Dionysos wohl eher bei Rockkonzerten und Orgien. Dionysos verdrängt dabei Hestia, die Göttin des Herdfeuers und häuslichen Friedens aus dem Olymp, die sich immer aus den Konflikten und Abenteuern der anderen unsterblichen Götter heraus gehalten hat, – was für ein Bild! Da lässt sich schon ahnen, dass nun der häusliche Frieden im Olymp verloren geht und der Verlust des Friedens in einer Gemeinschaft beschleunigt deren Untergang.
Ungefähr 150 Jahre später zeigen sich erste Tendenzen zur Auflösung des olympischen Kultes. Ungefähr von 570 bis 480 v. Chr. lebt Xenophanes, ein Philosoph, der Kritik an den olympischen Göttern übt. Im Hellenismus, ungefähr ab 350 v. Chr. löst sich die Bindung an den olympischen Kult auf. Es werden allgemein Zweifel am Sein der olympischen Götter geäußert. Es entsteht ein Kult der Tyche, des blinden, grausamen Zufalls, dem alle unterworfen sind. Wo der blinde Zufall verehrt wird, sind die Sinn stiftenden Bildordnungen nicht mehr wirksam. Dementsprechend wird der olympische Mythos danach von anderen geistigen Strömungen überlagert und in den Hintergrund gedrängt.

Die Schöpfung, wie auch die Auflösung von Bildern, Mythen und Kulten sind Aspekte menschlicher Kultur. Die bildhafte Erkenntnis führt zunächst zu einer Emanzipation des Ich’s gegenüber der Wirklichkeit. Das Unermessliche und Unfassbare einer unbegreiflichen Wirklichkeit wird im Bild, Ritual und Mythos begreifbar und damit zumindest teilweise unter die Kontrolle des Ich’s gebracht.

In einer Bewegung aus seinen eigenen früheren Stufen heraus löst sich der menschliche Geist aber immer wieder auch von seinen selbst geschaffenen Bildern und ersetzt sie durch andere, neue Bilder. Vielleicht versucht er auch manchmal ganz ohne Rituale, Kulte, Mythen und Bilder aus zu kommen, und sich der Erfahrung des Wirklichen ganz ungeschützt und unverstellt hin zu geben. Was als individuelle Bewegung des Bewusstseins gelingen kann. Aber auf der kulturellen Ebene werden Rituale, Kulte, Mythen und Bilder als Kommunikationsmittel vielleicht immer notwendig bleiben. Die menschliche Fähigkeit zur Bildschöpfung entspricht jedenfalls, wie wir sehen werden, dem Mondhaften im menschlichen Bewusstsein.

Der Mond aus astrologischer Sicht

Die essentiellsten Aussagen des meta-astrologischen Bildes des Mondes lauten: „Schöpferisch, Bild, Bewusstsein“, – der Mond entspricht dem schöpferischen Bildbewusstsein. Was unmittelbar einleuchtet, denn der Mond gilt heutigen Astrologen vor allem als Symbol für das bildschöpferische Unterbewusstsein.

Die antiken persischen und griechischen Astrologen sahen den Mond ganz ähnlich als das Prinzip der „Verzauberung“. Was nicht nur den magischen matriarchalen Kulten entspricht. Sondern die Mondsphäre entspricht als Zustand des Bewusstseins generell der „Verzauberung“, der magischen Teilnahme an der Welt und der Gebundenheit in der Sphäre emotional aufgeladener Bilder.

Das Unterbewusstsein ist bildschöpferisch. Nicht nur im Traumzustand, sondern auch in dem Sinne, als es auch bei Tag aus eigenem schöpferischem Vermögen Bilder auf seine Umgebung projiziert und dann deren Wirkung erfährt. Wobei der Fokus des Unterbewussten normalerweise auf der Erfahrung dieser Bilder und deren emotionaler Wirkung liegt, die dann die Bewegungen des Subjekts motivieren und steuern. Dass das Unterbewusstsein, astrologisch der Mond, diese Bilder selbst erschafft, bleibt dagegen oft unbewusst. Nehmen Sie einen Angsttraum als Beispiel für das Gesagte:

Wenn Sie im Traum einer Schrecken erregenden Gestalt begegnen, dann erleben Sie im Traum diese Gestalt und den Schrecken, der dadurch in Ihnen ausgelöst wird. Dass Sie selbst der Schöpfer des Traumes sind, bleibt Ihnen aber normalerweise unbewusst. Ähnliches gilt für die bildschöpferischen Aktivitäten des Mondes im Tagesbewusstsein, für die Projektionen, wo man eigene Inhalte auf andere Personen überträgt. Der Mond, das persönliche Unterbewusstsein, ist auch der Kanal für Inhalte aus tieferen Schichten des Unterbewussten. Wir unterscheiden in der Astrologie drei Schichten des Unterbewussten:

Der Mond repräsentiert das persönliche Unterbewusstsein.
Der Pluto symbolisiert die aus der Ahnenreihe übernommenen Inhalte.
Der Neptun entspricht dem grenzenlosen allgemeinen Unbewussten.

Das persönliche Unterbewusste (Mond) entwickelt idealer weise die von den Vorfahren ererbten Bilder (Pluto) in einer schöpferischen, individuellen Form weiter und ordnet sie neu. Das ist genau das, was z.B. beim „Familien-Stellen“ und anderen systemischen Therapien geschieht. Es ist aber auch möglich, was schade wäre, dass man seelisch in den ererbten Inhalten einfach nur „stecken bleibt“, und sie beibehält, ohne sie für sich zu differenzieren.

Der Mond speichert Einschläge aus dem Grenzenlosen (Neptun). Allgemeine unbewusste Inhalte können als die tiefer liegenden Bildstrukturen zur prägenden Orientierung des persönlichen Unterbewussten werden. Denken Sie sich zur Illustration einen Inhalt im allgemeinen Unbewussten wie eine mächtige Strömung in einer tiefen Schicht des Ozeans, der die kleineren Strömungen an der Oberfläche des Ozeans beeinflusst.

Hier ist es notwendig, zwischen persönlichen und allgemeinen Inhalten zu unterscheiden und erst dann den allgemeinen Inhalt zu integrieren. Wenn man sich mit einem Archetyp (Urbild) aus dem allgemeinen Unbewussten identifiziert, bläht der allgemeine Inhalt das Ich ins Maßlose auf. Und wenn die Identifikation mit diesem allgemeinen Inhalt zusammen bricht, bricht auch dieses aufgeblähte „Ich“ wieder zusammen. Wenn man einen Archetyp aber einfach nur ablehnt, fehlt die Orientierung und Energie, die durch diesen Archetypus angeboten wurden.

Weiter fällt aus meta-astrologischer Sicht auf, dass der Mond dazu tendiert, sich wie in einer kreisförmigen Bewegung emotional an bestimmte Inhalte oder Personen zu binden, die dann wiederum die Emotionen in Gang bringen und dadurch die Bindung an diese Inhalte oder Personen erneut verstärken. Das ist genau das, was man als „seelische Muster“ bezeichnet. Wenn dies im Sinne einer zunehmenden Zuneigung innerhalb einer glücklichen Beziehung geschieht, wunderbar! Aber dem Mond entspricht in dem Zusammenhang leider auch die Neigung zum sich wiederholenden „Drama“.

Bestimmte Muster werden, wie unter einem Zauber stehend, immer wieder ausagiert und erlebt, selbst wenn sie sehr schmerzhaft sind, bis man sie als vom eigenen Unterbewussten erschaffen erkennt. Der Entwicklungsweg des Mondes liegt darin, sich selbst bewusst als schöpferisch, oder als eine Bilder und Begegnungen schaffende Aktivität des Schöpferischen zu erleben. Im Drama gibt es die gleichermaßen demütigenden Rollen von Opfer und Täter. Erkennt man sich als deren Schöpfer, wird man davon frei.

Solange wir die Gefangenen und Sklaven unserer seelischen Dramen und Muster sind, kann von Freiheit keine Rede sein. Individuelle Freiheit und damit auch unsere Verantwortung, resultieren erst aus der Chance zu freiem und bewusstem schöpferischen Ausdruck und Verhalten. Ausdruck und Verhalten entsprechen astrologisch der Sonne.

Soweit dieses Portrait des Mondes

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